Eine vertikale Gartenstadt – Die Unité d’habitation „Typ Berlin“
Zwischen Heerstraße und Olympiastadion, am Heilsberger Dreieck, erhebt sich weithin sichtbar das mächtige Scheibenhochhaus der Unité d’habitation „Typ Berlin“ von Le Corbusier. Zwar war es ein Beitrag zur Internationalen Bauausstellung Interbau, doch konnte das 17-geschossige Haus mit 530 Wohnungen aufgrund seiner Größe und auch wegen des Ziels, die Unité mit weiten Grünflächen zu umgeben, nicht im Hansaviertel errichtet werden. Le Corbusier selbst hatte den Bauplatz der Unité aufgrund dessen Größe und des Vorhandenseins der notwendigen verkehrstechnischen Anbindungen ausgesucht. Als „vertikale Stadt“ strebt die Unité in die Höhe und belegt somit nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des Baugrunds. Die Umgebung des Hauses konnte damit als großzügige Parklandschaft gestaltet werden, die Sonne, Freiraum und Grün bot. Durch die Aufständerung des Baukörpers konnte die Freifläche sogar unter dem Bau hindurchgeführt werden. Zugleich wurde jeder Wohnung mindestens eine Loggia vorgelagert, welche ebenfalls eine Verbindung zum umgebenden Grünraum ermöglicht. Die Loggien verwendete Le Corbusier auch als markantes Mittel der horizontalen Gliederung der Fassaden, einzig der Aufzugsturm stellte eine vertikale Unterbrechung dar.
Der Gedanke einer in sich geschlossenen Stadt ist auch im Innern der Unité sichtbar. Gleich den Straßen eines Wohnquartiers gibt es dort zehn Innenstraßen (rues interieures), die mit einer Breite von circa 3 Metern und einer Länge von 140 Metern die einzelnen Wohnungen erschließen. Zur besseren Orientierung der Mieter erhielten die Wohnungen ‚Hausnummern‘ und die Wohnungstüren unterschiedliche Farben. Auch die notwendigen Gemeinschaftseinrichtungen fanden sich im Gebäude. In der großteils verglasten Eingangshalle war neben öffentlichen Telefonzellen auch eine Poststelle zu finden. In einem Ladenanbau konnten die Bewohner für den täglichen Bedarf einkaufen. Im 17. Geschoss befand sich eine zentrale Waschküche. Ein weiteres Merkmal des Hauses ist die Ausrichtung auf Ein- oder Zwei-Personen-Haushalte. 440 der teils zweigeschossigen Wohnungen waren als Ein- bzw. Zweizimmerwohnungen ausgelegt, 85 als Dreizimmerwohnungen, nur vier als Vier- und lediglich eine Wohnung als Fünfzimmerwohnung.
Die Unité d’habitation „Typ Berlin“ war trotz ihrer abgelegenen Position eine der Hauptsehenswürdigkeiten der Interbau – zum einen wegen des berühmten Architekten, zum anderen wegen des aufsehenerregenden Projekts selbst. Le Corbusier hatte zwar schon zuvor je eine Unité in Marseille und in Nantes gebaut, doch war die Berliner Unité die erste außerhalb Frankreichs. (1) Der „Typ Berlin“ ist verglichen mit den französischen Vorgängerbauten eine Kompromisslösung zwischen Le Corbusiers Entwurf und den Vorschriften und Ansichten der Berliner Behörden. So wurde die Raumhöhe der Wohnungen von 2,26 Metern nach dem von Le Corbusier entwickelten Maßsystem des Modulors nicht übernommen und stattdessen eine einheitliche Raumhöhe von 2,50 Metern vorgeschrieben. In den zweigeschossigen Wohnungen musste die Zwischendecke bis zur Außenwand durchgeführt werden, so dass keine doppelgeschossigen Räume entstehen konnten. Zudem war das Gemeinschaftsgeschoss mit der Einkaufsmöglichkeit von Le Corbusier ursprünglich für das 7. Stockwerk vorgesehen, so dass die Bewohner der oberen und der unteren Stockwerke ungefähr gleichlange Wege zu diesem Geschoss gehabt hätten. Auch die Ausrichtung auf Kleinhaushalte entsprach nicht den Vorstellungen Le Corbusiers, der vor allem große Wohnungen für kinderreiche Familien eingeplant hatte. Allerdings sahen die Behörden das Wohnen von Familien in Wohnhochhäusern als ungeeignet an.
Die Berliner Unité und ihre Schwesterbauten in Frankreich waren auch als Beitrag zur Lösung der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg und zur Reform der alten Stadtstrukturen gedacht. So fertigte Le Corbusier 1945 Entwürfe für den Wiederaufbau von St. Dié an, die die lockere Gruppierung von acht Unités in einer weiten landschaftlichen Grünfläche vorsahen. Es folgten Pläne für die Bebauung von La Rochelle-Pallices (1946) und für Meaux (1956), für die ebenfalls mehrere Unités bestimmt waren. Es wurde jedoch keiner dieser Entwürfe ausgeführt.
„To sell democracy abroad“ – Die Kongresshalle als Geschenk der Amerikaner zur Interbau
Ihre herausragende Form und ihre meisterhafte Inszenierung machten die Kongresshalle zu einem besonderen Publikumserfolg und zu einem beliebten Postkartenmotiv im Rahmen der Interbau. Auf einem aufgeschütteten Hügel und auf einem Unterbau platziert, war sie von weither – von West und Ost – sichtbar. In ihrer Hauptansicht vervollständigten sich die Spiegelungen des Baukörpers und des geschwungenen Dachs in den Wasserflächen zu einem Oval. Eine breite Freitreppe nobilitiert die Anlage. Der leuchtend weiße Anstrich des Dachs unterstützte die Fernwirkung.
Die Kongresshalle wurde aufgrund der maßgeblichen Initiative der Berlin-Beauftragten der US-Regierung, Eleonor Dulles, zwischen 1956 und 1957 in Berlin erbaut. Als Symbol der deutsch-amerikanischen Freundschaft war mit dem Bau von Beginn an eine deutliche politische Aussage beabsichtigt. Damit schloss die Kongresshalle an zwei weitere symbolträchtige Berliner Bauten an, nämlich die Amerika-Gedenkbibliothek (1951–55) von Fritz Bornemann, Gerhard Jobst, Willy Kreuer und Hartmut Wille sowie das Amerika-Haus (1956/57) von Bruno Grimmek. Nahe an der deutsch-deutschen Grenze und in einer Achse mit dem Reichstag gelegen, sollte die Kongresshalle zugleich auch „a beaming beacon shining towards the east“ (2) sein, ein Leuchtfeuer, das in den Osten hinüber scheinen sollte. Neben ihrer ursprünglichen kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bestimmung diente die Kongresshalle auch dem Deutschen Bundestag, der in dem mit allen technischen Neuerungen wie Klimaanlage und Dolmetscheranlage ausgestatteten großen Kongresssaal (das Auditorium) ab 1957 mehrere Sitzungen abhielt.
Für die architektonische Umsetzung wurde der amerikanische Architekt Hugh A. Stubbins ausgewählt, der ein langjähriger Assistent von Walter Gropius an der Harvard University gewesen war. Im Sommer 1956 war der endgültige Entwurf gefunden: Ein Schalenbau mit einem Dach als hyperbolisches Paraboloid, das an dessen Enden mit nur zwei Auflagepunkten gestützt werden sollte. Es sollte das mit einem eigenen Dach versehene ovale Auditorium überspannen. Eine Bewegungsfuge sollte die statischen Verhältnisse sichtbar machen. In diesem Entwurf entsprachen sich Form und Technik nach den Grundregeln des Funktionalismus in gewünschter Weise. Besonders das Dach mit der Konstruktion einer freitragenden Betonschale, wie sie Stubbins mit Fred Severud entwickelt hatte, galt als innovatives Zeugnis der Ingenieurbaukunst.
Allerdings ergaben sich bei der Umsetzung der Pläne Schwierigkeiten. Die Berliner Baubehörden bezweifelten die Stabilität der Dachkonstruktion und führten deshalb eine veränderte Konstruktion aus. Das Dach wurde auf die tragenden Wände des Auditoriums aufgelegt und ein Dachüberstand angebaut. Ein Randträger sollte für Stabilität sorgen, beschwerte jedoch den angebauten Dachüberstand zusätzlich. Mit dieser Ersatzkonstruktion wurde zwar das Bild eines freitragenden Schalenbaus gewahrt, jedoch konterkarierte sie den Anspruch des funktionalistisch geprägten Stubbins und seiner Zeitgenossen, eine Form aus der Konstruktion heraus zu entwickeln. Zudem sprachen mehrere Architekten nun ihrerseits der Ersatzkonstruktion die Stabilität ab und schlugen alternative Konstruktionen vor, die jedoch in den Berliner Behörden kein Gehör fanden. Nach einer heftig geführten Debatte unter den Fachleuten und in der Öffentlichkeit wurde die Kongresshalle schließlich am 19. September 1957 noch während der Laufzeit der Interbau eröffnet. (3)
Doch das Dach hielt tatsächlich nur 23 Jahre: Am 21. Mai 1980 stürzte der südliche Dachüberstand ein. Nun entspannten sich Diskussionen um den Wiederaufbau oder totalen Abriss des inzwischen teils als „Nierentisch-Architektur“ belächelten Zeugnisses der Nachkriegsmoderne. Das durch den Vietnamkrieg, das Wettrüsten mit der Sowjetunion und die Stationierung von Pershing-Raketen veränderte Amerikabild in Deutschland trug das Ihrige bei. (4) 1982 jedoch wurde diese Diskussion beendet. Der Senat bezeichnete die Kongresshalle als ein „sichtbares Zeichen deutsch-amerikanischer Verbundenheit in der Stadt.“ (5) Das Dach wurde wieder errichtet, nun allerdings in der ursprünglich entwickelten Konstruktion als Schalenbau. 1987 konnte der Wiederaufbau der Kongresshalle zur 750-Jahre-Feier Berlins und zur IBA 84/87 eröffnet werden. Seit 1989 dient sie dem Haus der Kulturen der Welt für dessen völkerverständigende Arbeit.
Dr. Sandra Wagner-Conzelmann